Wie Bindung Ängste schürt: Der ängstlich-preokkupierte Bindungsstil und seine Auswirkungen auf Beziehungen
- Anna Wilitzki
- 10. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Klammern oder loslassen? Wie der ängstlich-preokkupierte Bindungstyp Beziehungen bestimmt
Hast du das Gefühl, dass du in Beziehungen ständig nach Bestätigung suchst? Oder vielleicht kämpfst du mit der Angst, von deinem Partner oder deiner Partnerin verlassen zu werden? Solche Gedanken sind nicht ungewöhnlich – besonders, wenn du einen ängstlich-preokkupierten Bindungsstil hast. Aber was bedeutet das eigentlich? Und wie beeinflusst dieser Bindungsstil die Dynamik in deinen Beziehungen?
Als Paartherapeutin begegnet mir dieser Bindungsstil häufig – und er ist alles andere als selten. Der ängstlich-preokkupierte Bindungsstil ist eine der vier Hauptkategorien, die laut Bindungstheorie den Weg bestimmen, wie wir Nähe erleben und wie wir auf die Bedürfnisse unseres Partners reagieren. Wenn du dich in den folgenden Beschreibungen wiedererkennst, ist das nicht nur verständlich, sondern auch der erste Schritt, um an deinen Beziehungsmustern zu arbeiten.

Ängstlich-preokkupiert: Ein tiefes Bedürfnis nach Nähe und Bestätigung
Der ängstlich-preokkupierte Bindungsstil ist gekennzeichnet durch ein intensives Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung, gepaart mit einer tiefen Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden. Menschen mit diesem Bindungsstil reagieren häufig sehr empfindlich auf jede Art von wahrgenommener Distanz oder Zurückweisung. Es kann sich anfühlen, als ob jede kleine Unsicherheit in der Beziehung eine existenzielle Bedrohung darstellt.
Dieser Bindungsstil entsteht oft durch inkonsistente Erziehungsmuster in der Kindheit. Vielleicht war die Bezugsperson nicht immer zuverlässig oder konnte nicht konstant auf die emotionalen Bedürfnisse des Kindes eingehen. Das führt dazu, dass das Kind lernt, dass Nähe nicht immer sicher oder stabil ist, was sich später in Beziehungen als tiefe Unsicherheit zeigt.
Die Dynamik in der Beziehung: Nähe suchen und trotzdem Angst haben
Stellen wir uns vor, eine Person in einer Partnerschaft fühlt sich ständig unsicher, obwohl ihr Partner sie liebt und immer für sie da ist. Die Person könnte permanent um Bestätigung kämpfen, zu viel Nähe suchen oder unangemessen viel Aufmerksamkeit einfordern. In Situationen, in denen der Partner emotional abwesend ist, kann die Person extreme Ängste erleben, die von Eifersucht bis zu ständigen Selbstzweifeln reichen.
Das Ergebnis? Der Partner fühlt sich überfordert, weil die ständige Suche nach Bestätigung und Nähe zu einem Gefühl der Erstickung führen kann. In diesem Szenario kann der ängstlich-preokkupierte Partner Gefühle von „Nicht-genügend-Sein“ entwickeln, die ihn oder sie in ein ständiges inneres Ungleichgewicht versetzen.
Warum „Klammern“ nicht funktioniert: Die Fallstricke der Bindung
Warum fällt es dem ängstlich-preokkupierten Bindungstyp so schwer, diese Ängste zu überwinden? Der Grund liegt oft in der verzerrten Wahrnehmung von Nähe und Abhängigkeit. Zu viel Nähe kann als „Bedrohung“ erlebt werden, was den Partner eher verstören kann, anstatt ihm oder ihr näherzukommen.
In einer Beziehung zeigt sich das oft in einem ständigen Auf und Ab von Intensität und Distanz. Die ständige Sorge, verlassen zu werden, sorgt dafür, dass die Person sich in Momenten der Unsicherheit umso mehr an den Partner klammert. Diese Dynamik ist bekannt als das „Klammern und Rückzug“-Muster.
Ein Beispiel aus der Praxis: Warum uns Ängste manchmal die Augen verschließen
Ein Paar kam in meine Praxis, das sich immer wieder in einer Teufelskreis-Dynamik befand. Der ängstlich-preokkupierte Partner hatte das Gefühl, die Beziehung zu verlieren, sobald der andere Partner auch nur ein wenig emotional zurückwich. Die Angst, verlassen zu werden, war so stark, dass jede kleine Geste der Unsicherheit zu einer übermäßigen Reaktion führte – mit dem Resultat, dass der Partner sich zunehmend zurückzog.
Das Paar verstand nicht, warum ihre Beziehung immer wieder in diese Spirale aus Konflikten und Missverständnissen geriet. Die Lösung war, das Bewusstsein für den Bindungsstil zu entwickeln und miteinander zu arbeiten, um die Kommunikation zu öffnen. Mit der Zeit lernten sie, wie wichtig es ist, die Ängste zu benennen, ohne sie zu verbergen – und dadurch die emotionalen Lücken zu füllen.
So kannst du an deinem Bindungsstil arbeiten: Weg von der Angst, hin zur Sicherheit
Wenn du dich als ängstlich-preokkupiert erkennst, ist das der erste Schritt, um deine Beziehungsdynamiken zu verändern. Hier sind einige Ansätze, die helfen können, deine Ängste zu überwinden und stabilere Beziehungen aufzubauen:
Selbstreflexion und Achtsamkeit: Der erste Schritt ist, sich der eigenen Ängste bewusst zu werden. Was genau löst die Angst vor Ablehnung aus? Lerne, deine Reaktionen zu beobachten, bevor sie zu Handlung werden.
Offene Kommunikation mit deinem Partner: Sprich über deine Ängste. Erkläre deinem Partner, warum du dich in bestimmten Momenten unsicher fühlst, ohne Vorwürfe zu machen. Gemeinsam könnt ihr Lösungen finden.
Sichere Bindung aufbauen: Ein wichtiger Schritt ist, zu lernen, dass Liebe und Nähe nicht von der ständigen Bestätigung abhängen. Zu wissen, dass du auch dann geliebt wirst, wenn du nicht ständig „nachfragst“, ist entscheidend.
Therapie: Eine Paartherapie in Berlin oder auch individuelle Therapie kann helfen, die tieferen Ursachen dieser Ängste zu erkennen und mit Hilfe von Fachpersonen daran zu arbeiten. Wenn du bereit bist, an deinem Bindungsstil zu arbeiten, kann Therapie ein wertvoller Weg sein.
Fazit: Über die Angst hinaus – Wie du deine Beziehungen stärkst
Es ist völlig normal, Ängste in Beziehungen zu haben. Der ängstlich-preokkupierte Bindungsstil macht jedoch deutlich, wie sehr diese Ängste das Beziehungserlebnis beeinflussen können. Wenn du erkennst, dass du möglicherweise diesem Bindungsstil folgst, ist der Weg frei, an den Mustern zu arbeiten, die diese Ängste nähren. Veränderung ist möglich – und oft sind die ersten Schritte die schwierigsten.
Vertraue darauf, dass du durch das Erkennen und Verändern deiner Bindungsmuster tiefere und stabilere Beziehungen aufbauen kannst. Es ist eine Reise, die Geduld und Achtsamkeit erfordert, aber sie führt zu mehr emotionaler Freiheit und weniger Unsicherheit in deinen Beziehungen.
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